Free Balochistan Movement: Der lange Marsch der Balochen von Düsseldorf nach Berlin

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Vom 16. Juli bis zum 5. August machten sich Aktivisten der Balochistanbewegung auf, die halbe Republik von Düsseldorf nach Berlin zu Fuß zu durchqueren, bestückt mit Fahnen von Balochistan und Deutschland, einem Megaphon und Informationsflyern, um die deutsche Bevölkerung über die Greueltaten in ihrem Heimatland aufzuklären, über einen hierzulande unbekannten stattfindenden Genozid, den die pakistanische Armee und der Geheimdienst ISI – vom Kongress der Vereinigten Staaten als Terrororganisation eingestuft –

an den Eliten und einfachen Menschen ausführt. Dazu bedient sie sich mehrerer jihadistischer Gruppierungen.

Zum einen, um eine demographische Veränderung herbeizuführen, die Balochen in die Minderheit zu drängen.

Grund dafür sind die riesigen Ressourcenlager in Balochistan, die das pakistanische Militär allein für sich ausbeuten möchte und die Niederschlagung der Unabhängigkeitsbewegung.

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Denn Balochistan war in der Geschichte ein eigener Staat unter der Herrschaft des Khan von Kalat und ist, was Sprache, Kultur und Sitten angeht, eine eigene Nation. Von 1947 bis 1948 durften sie für kurze Zeit wieder ein eigener Staat sein, bis sie von dem neu entstandenen künstlichen Staatsgebilde Pakistan annektiert wurden, das willkürlich Pashtunen, Balochen, Sindhis unter eine Herrschaft der Punjabies gebracht hatte. Die Balochen fanden sich mit ihrer Unterdrückung durch den islamischen Staat Pakistan nicht ab. Ein Teil Balochistans gehört zum fundamentalistischen Iran und zu Afghanistan. Dies sind allesamt überkommene Strukturen aus dem Kolonialreich der Briten. Grenzen wie die Durandlinie und Goldsmithlinie wurden willkürlich ohne Rücksicht auf die dort lebenden Völker gezogen. Die Pashtunen teilte man in der Mitte durch, wohl, um sie besser kontrollieren zu können.

Das herrschende Punjabiregime versucht mit aller Macht, die Sprachen und die Kultur sowohl der Pashtunen als auch der Balochen zurückzudrängen. Es finden keine Investitionen in Balochistan statt, keine in die Infrastruktur wie Schulen, Häuser, Krankenhäuser. Menschen sind gezwungen, auf Holzfeuern zu kochen, obwohl die Provinz über riesige Gasvorkommen verfügt. Pakistan hat mit China einen ökonomischen Korridor eingerichtet, der vom Hafen Gwadar an der Küste quer durchs Land nach China führt. Die Balochen ließ man bei dem Abkommen außen vor. Stattdessen ist Balochistan eine riesige militarisierte Zone mit tausenden Checkpoints und Garnisonen der pakistanischen Armee.

Das Regime erhält Gelder für den Antiterrorkampf und Waffensysteme von den USA und auch von Deutschland. F-16 Kampfjets und Cobra Kampfhubschrauber werden allerdings gegen die Bevölkerung der Balochen eingesetzt.

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Das Regime hat zwei Gesichter. Es unterstützt die Terrororganisationen Taliban, al qaida und neuerdings den IS, trainiert sie in eigenen Lagern, aber auch Lashkar e Tayyiba, TTP, Jamaat du Dawa, Lashkar e Islam and Sepah e Sahaba, allesamt extremistische Gruppierungen aus dem Punjab, Pakistan, und setzt diese in Balochistan ein, um die Eliten und einfachen Menschen, die in Verdacht geraten, für die Unabhängigkeit zu sein, zu entführen, sie grausamst zu foltern, zu ermorden und anschließend in die Landschaft zu werfen oder in Massengräbern zu verscharren.

Amnesty International nennt dies eine „Kill and Dump Policy“ und weitere Menschenrechtsoganisationen bestätigen die Greueltaten. So auch die Human Rights Commission von Pakistan.

Die westliche Politik ignoriert das Problem, folgt sie doch der Brzezinski Policy des amerikanischen Sicherheitsberaters von Präsident Carter bis Präsident Obama.

Die vorsieht, auf alle extremistisch religiösen Regime in einem Gürtel rund um Russland zu setzen, um diese Supermacht außen vorzuhalten. Dabei werden Menschenrechtsverletzungen fahrlässig in Kauf genommen.

Über 20.000 Balochen wurden bisher entführt und verschwanden oder sie wurden tot aufgefunden. Über 100.000 Balochen zu Flüchtlingen in eigenem Land gemacht, weil man ihre Dörfer beschoss und abbrannte.

Der Lange Marsch soll auch an den gleichnamigen Marsch der Balochen bis nach Islamabad erinnern, mit dem damaligen Ziel, Antworten auf ihre verschwundenen Lieben zu erhalten.

Die Aktivisten setzten sich aus Akademikern, Professoren, Studenten und der neunjährigen Mahgonag zusammen, die erst seit 11 Monaten in Deutschland ist und bereits unsere Sprache perfekt beherrscht.

Ich sprach mit Abdul Wajid Baloch, der Probleme mit seinem Bein hatte, denn er war in der Folterkammer an seinen Füßen aufgehängt worden. Mit Stockschlägen wurde er traktiert. Nun suchte er einen Arzt auf, um die Strapazen des langen Marsches zu überstehen.

Abdul Wajid Baloch war in seinem früheren Leben ein Student der Ozeanographie und eine Kolumnist der Daily Tawar, Assap und Intekhab gewesen.

Er wurde auf seinem Weg zur Uthal Universität von seiner Heimatstadt Mand aus entführt, sein Fahrzeug in Pasni von der pakistanischen Armee gewaltsam gestoppt und mit Gewalt an einen unbekannten Ort verschleppt.

Er ist der Cousin von Sher Mohammad Baloch von der republikanischen Partei der Balochen, BRP, der durch die pakistanische Armee zu Tode gefoltert worden ist. Fast jeder der Aktivisten hat Opfer in seiner Familie zu beklagen, das erzwungene Exil ist die einzige Möglichkeit, dieser Hölle lebend zu entkommen. Azum Noor, ein Poet, nahm an dem Marsch teil. Er zeigte mir ein Foto aus seinem früheren Leben, als er noch nicht so abgemagert war wie heute. Auch er ein Folteropfer.

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Unterwegs blieben Passanten stehen, ließen sich gerne informieren, lauschten erstaunt den Vorkommnissen, denn unsere Qualitätsmedien schweigen zu den grausamen Ereignissen.

Für Journalisten und Menschenrechtsorganisationen ist das Betreten von Balochistan ohnehin verboten, das Regime kann keine Zeugen ihrer Taten gebrauchen.

Auf dem Platz der Republik vor dem deutschen Bundestag hielten dann Rohail Baloch, Sohn von Shaheed Balaach Marri und Neffe des Initiators und Organisators Hyarbyar Marri ( im Exil in London ), eine aufklärende faktengesicherte Rede.

Mahgonag trug ihr Motiv für ihren Einsatz vor, und nach den Vorträgen weiterer Aktivisten, durfte ich in deutscher Sprache meine Landsleute aufklären. Wir sprachen vor einem international gemischten Publikum, das aufmerksam zuhörte und sich gerne das Informationsmaterial nach Hause nahm.

Leider konnten wir unsere Resolution nicht zu den Fraktionsbüros tragen, dies hole ich aber bereits auf schriftlichem Wege nach. Unsere Medien werde ich einzeln anschreiben.

Ich nahm am Marsch auch teil, weil ich im Februar dieses Jahres eine NGO mit dem Namen „Friends of Balochistan“ durch Initiative und zusammen mit Dr. Richard Benkin, USA und Reza Hossein Borr, London, einem iranischischen Exilbalochen, in London gegründet habe.

Unsere Organisation ist im Aufbau begriffen und unterstützt die Aufmerksamkeitskampagnen der verschiedenen Unabhängigkeitsbewegungen.

Wir streben eine starke Lobby an, um als think-tanks professionellen Einfluss auf die westlichen Regierungen zu nehmen.

Eine friedliche politische Lösung ist vorgesehen, deshalb bleibt das Auswärtige Amt mit uns in Kontakt.

Die Balochen haben bereits eine Charta für den Fall ihrer Unabhängigkeit erarbeitet. Sie sieht ein parlamentarisches System nach westlichem Vorbild vor.

Gerne würden die Balochen den Westen im Kampf gegen den Terror unterstützen. Sie sind sekulare Muslime und tolerieren andere Religionen und streben die Gleichsetzung von Frauen an.

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Der Westen ist gut beraten, auf die Minderheiten in Pakistan zu setzen, denn nur sie stehen uns vorbehaltlos im Kampf gegen den Terror an unserer Seite.

Weitere Unterstützung des Punjabiregimes wird dazu führen, dass die USA gänzlich ihren Einfluss in der Region verlieren werden und China das Vakuum auffüllt. Denn die von Punjabis dominierte pakistanische Armee bekämpft die USA mit ihren Terrorelementen. Der Westen muss endlich zu seinen Werten stehen. Wir können und dürfen die Balochen nicht länger im Stich lassen.

Am darauf folgenden Montag fand eine Bombenexplosion vor einem Hospital in Quetta statt. Bei dem Anschlag starben pashtunische und Balochjuristen, die dem pakistanischen Staat widerstanden hatten. Ein Baloche erklärte mir, dass sich innerhalb einer Distanz von je 15 Minuten jeweils ein Checkpoint in Quetta befindet. Ohne Wissen des Geheimdienstes und der Armee kommt niemand an das Krankenhaus heran.

Mir wurde heute die Information zuteil, dass sich alle Extremistengruppierungen des Punjabs in Quetta versammelt hätten, zum Beweis wurde mir ein Foto zugeschickt. Die pakistanische Armee schirmte die Extremisten vor Einblicken ab.

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By Claudia Waedlich

Kolumnistin und Korrespondentin der Pashtun Times

Schrifstellerin und Menschenrechtsaktivistin

THE PASHTUN TIMES

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